Success as usual: Warum Robert Enke gestern war

»Wer sich zu einer Schwäche bekennt, ist nicht schwach. Er ist stark«, so Stephan Weil, amtierender Oberbürgermeister von Hannover, anlässlich der Trauerfeier für Torhüter Robert Enke nach seinem Freitod. Tragisch nur, dass die gesellschaftliche Wahrnehmung unserer effizienzorientierten Ellbogengesellschaft eine ganz andere ist: Auf Erfolg und dessen Accessoires fixiert, wird wie bei den Kickern derjenige gnadenlos ausgepfiffen, der nicht ins Klischee vom bedingungslosen Leistungswillen passt und stolpert.

Für Verlierer ist auf dem grünen Rasen kein Platz, und in der Gesellschaft haben sie keine Lobby. Wie sonst ist zu erklären, dass Bundestrainer Joachim Löw im Zusammenhang mit dem Selbstmord seines Keepers und einem Telefonat mit dessen Vater augenscheinlich keinen Grund dafür sieht, »dass wir uns Vorwürfe machen müssen«, und für eine schnellstmögliche Rückkehr zur Normalität plädiert. Mit anderen Worten: Robert Enke war gestern, und success as usual ist heute.

Hatte es nach Enkes Tod und dem damit verbundenen Hype für einen Moment lang so ausgesehen, als würde diese menschliche Tragödie eine nachhaltige Debatte über unsere gesellschaftliche Werteorientierung auslösen, so können wir heute, nachdem Enke medial in großem Stil betrauert und das Leid seiner Angehörigen im Scheinwerferlicht genügend voyeuristisch ausgeleuchtet wurde, davon ausgehen, dass mit der Rückkehr zur Normalität auch der eingeschlagene Weg sowohl auf dem Spielfeld als auch im gesellschaftlichen Denken fortgesetzt wird.

Der hochtourige Wettkampf um Marktanteile lässt keinen Raum mehr für kritische Fragen. Im Rennen um Konkurrenzvorteile und Schnäppchen bleibt uns keine Zeit zum Innehalten. Vielleicht, weil das Mantra vom ökonomischen Erfolg aus unser aller Lebenswirklichkeit nicht mehr wegzudenken ist. Vielleicht, weil wir von unserer hochgerüsteten Konsum- und Erlebniswelt nur noch mitgerissen werden. Das Tragische daran ist nur, dass sich die Brüchigkeit eben dieser Leistungs- und Konsumorientiertheit an dem Schicksal Enkes in so fataler Weise spiegelt. Und das umso mehr vor dem Hintergrund eines unberechenbaren Arbeitsmarkts, der im Zuge einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine wachsende Zahl von Menschen in die Erschöpfung und Depression treibt.

Was wir deshalb heute schon im eigenen Interesse brauchen, ist endlich eine gesellschaftliche Debatte über Werte jenseits determinierter Erfolgs- und Effizienzvorstellungen. Dabei geht es beileibe nicht darum, das Stolpern salonfähig zu machen, sondern vielmehr um die Suche nach Wegen, menschenwürdig und verantwortungsbewusst damit umzugehen. Nur so können wir verhindern, dass Stolperer unter Umständen zu dauerhaften Verlierern und tickenden menschlichen Zeitbomben werden, deren Frust sich in Gewalt gegen andere entlädt, was sie dann zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem macht.

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© Ute Bienkowski. Alle Rechte vorbehalten.
Zenit – Institut für Kreativität und Erfolgsmethodik

Weitere Beiträge zum Thema: Sorbas – eJournal für den Neubeginn.

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