Posts Tagged ‘niederlage’

Robert Enke: die geschlagene Nummer eins

14. November 2009

»You Can Win If You Want« – so lautet nicht nur ein Erfolgssong des einstigen Popduos Modern Talking, sondern auch das Motto unserer modernen Leistungsgesellschaft. Dem Nationalkeeper Robert Enke wurde die daraus resultierende Einstellung jetzt zum Verhängnis. Die Geschichte dieses todtraurigen Nationaltorhüters, der sich im Kampf um den Ball zur Spitze durchschlug und sich eines unbedingten Erfolgswillens zum Trotz dennoch vor seiner Krankheit geschlagen geben musste, hat die Republik wie kaum eine andere gerührt.

Dass der Torheld das Geheimnis seiner tabuisierten Traurigkeit ebenso vehement wie sein Tor hütete und aus Angst vor dem Öffentlichwerden seiner Depressionen und Versagensängste schließlich den Freitod auf den Schienen wählte, wirft nicht nur einen Blick hinter die Fassade einer äußerlich strahlenden Siegerpose, sondern auch auf die Abgründe des Leistungssports und nicht zuletzt einer Leistungsgesellschaft insgesamt, die jede Form von Schwäche verpönt und schon einen zweiten Platz als Niederlage wertet. Umso größer ist der Respekt vor Enkes so tapferer Witwe Teresa, die uns mit ihrer schonungslosen Offenheit einen Einblick in die fußballerische Kraftmeierei und der Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens dahinter erlaubt.

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Der Dalai Lama und wir

9. Dezember 2008

Ist Scheitern heute in?

Andrea Ypsilanti tut es. Peter Hartz tut es. Und selbst der Dalai Lama tut es: scheitern. Auf einer Pressekonferenz in Tokio erklärte das geistliche und weltliche Oberhaupt der Exil-Tibeter den Kampf um eine größere Autonomie Tibets unlängst für gescheitert. Dafür, dass der 73-jährige Friedensnobelpreisträger den Mut hatte, sein Scheitern öffentlich einzugestehen, verdient er Respekt.

Wenn Scheitern im globalen Zeitalter auch immer mehr zu einem gesellschaftlichen Phänomen wird, ist es dennoch stigmatisiert und der Umgang damit unentspannt. Und das kommt nicht von ungefähr: Auf den Erfolg und dessen Accessoires fixiert, hat unsere Gesellschaft für die Bewältigung von sozialen Abstiegen, beruflichem Versagen und persönlichen Niederlagen kaum die richtigen Deutungs- und Verhaltensweisen.

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Finanzkrise und FKK

17. November 2008

Zur Lage der Nation: Ex von Hühner-Hansi packt aus, und die Globalisierung setzt bewährte Erfolgsmodelle außer Kraft.

Es sind in der Tat turbulente Zeiten, die wir da gerade erleben: Andrea Ypsilanti auf ihrem Weg zur Macht zum zweiten Mal gescheitert. SPD nach Hessen-Debakel bundesweit auf 23 Prozent abgeschmiert. »Preuße mit Vogel« wird 85. Massiver Jobabbau im Continental-Werk Babenhausen infolge Finanzkrise. Hypo Real Estate im dritten Quartal tiefer in die roten Zahlen gerutscht als von Experten erwartet. Und nachdem das Vertrauen der Menschen bereits durch die Gier verkaufsagiler Banker massiv erschüttert wurde, müssen sie bei der Bild-Zeitung zu guter Letzt auch noch von Hühner-Hansis FKK-Gier erfahren. Nach Bekunden seiner Ex-Frau ist der 71jährige und rüstige TV-Landwirt aus der Erfolgs-Doku »Bauer sucht Frau« gerne nackt und FKK-gierig, weshalb sich seine Frau Elsa P. nach 32 gemeinsamen Jahren auch von ihm scheiden ließ.

Kein Wunder, dass sich angesichts solch geballter Ladung an Negativnachrichten ein Klima zunehmender Besorgnis bei uns breit macht. Aber wir leben nun mal in Zeiten schnellen globalen Wandels, die von unvorhersehbaren gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen mit ungewissem Ausgang geprägt sind. Dramatisch für eine allein am ökonomischen Erfolg orientierte Gesellschaft, die für einen souveränen Umgang mit Unwägbarkeiten und Krisen kaum über adäquate Verhaltensweisen verfügt.

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Obama und die deutsche Jammerkultur

9. November 2008

Warum die Deutschen an den Gelben Sack glauben und die Amerikaner an Gott.

Am 4. November 2008 haben die Amerikaner mit ihrer Geschichte gebrochen und sie stattdessen neu geschrieben. Erstmals wurde ein schwarzer Politiker in das mächtigste Amt der Welt gewählt und wird künftig die Geschicke der Supermacht lenken. „Change“ lautete das Wahlkampf-Motto von Barack Obama, einem charismatischen Juristen und Harvard-Absolventen, der mit Lässigkeit und Überzeugungskraft die Massen für sich mobilisierte und mit seiner Botschaft vom Wandel nicht nur den Nerv der Amerikaner getroffen hat, sondern auch den vieler anderer Menschen in großen Teilen der Welt.

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Die Angst vor dem Scheitern

6. November 2008

Wie man in Deutschland zum gesellschaftlichen Bodensatz wird.

Bis auf den heutigen Tag provoziert „Scheitern“ in Deutschland immer einen sehr dicken und zusätzlich Tausende kleine Zeigefinger, die alle den Odem der Schadensfreude und des Spotts verbreiten.

Die gesellschaftliche Formel dafür ist einfach: Wer im Wettlauf mit den anderen stolpert und zu Boden stürzt, bleibt meist auch dort. Denn wenn seine Mitläufer ihm nicht aufhelfen, sondern lieber unbeirrt über ihn hinweg sprinten, wird es schwierig, rasch wieder aufzustehen und trotz Blessuren und Blamage weiter zu machen. Die meisten werden also resignieren und warten, bis alle anderen vorbeigezogen sind, und sich dann beschämt von dannen schleichen.

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Ganz perfekt unperfekt

22. Oktober 2008

Am Nervenflattern gescheitert:
Vom souveränen Umgang mit dem Misslingen.

»Gold sollte es ja sein, darauf waren ich und mein Umfeld fixiert, jetzt ist es Bronze. Das ist auch nicht schlecht. Mal sehen, wie ich in zwei Tagen darüber denke«, so Fabian Hambüchen, deutsches Turnwunder und Sportler des Jahres nach seinem Bronzesieg bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking. Es klingt fast so, als müsse er sich für seinen dritten Platz schämen und sich quasi dafür entschuldigen, die erhoffte Goldmedaille doch nicht erturnt zu haben. Sicher, er hatte das »Gesicht der Spiele« werden sollen, doch diesem Erwartungsdruck hielt das Ausnahmetalent offensichtlich nicht stand. Und so geschah, was niemals hätte passieren dürfen: Sein Traum vom Gold scheiterte am Nervenflattern. Mögliche Medaillen im freien Fall vernichtend, patzte er gleich doppelt: beim Mannschafts- und beim Mehrkampfwettbewerb.

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Erfolg …

19. Oktober 2008

… der Stoff aus dem die Träume der Leistungsgesellschaft sind.

»Man muss gierig auf Erfolg sein. Dann wird man auch erfolgreich sein« so Vitali Klitschko vor seinem Kampf um die Box-Weltmeisterschaft im Schwergewicht nach seinem Comeback am vergangenen Wochenende. Was unsere Gesellschaft mit dem Box-Weltmeister Vitali Klitschko teilt, ist die Gier nach Erfolg. Bei uns gilt es, Erfolg zu haben und unüberhörbar zu feiern. Kein Wunder, dass sich über Karriereknicks, Statusverluste und sonstige Erfolgseinbußen zumeist ein Schweigen legt. Scheitern wird im gesellschaftlichen Alltag ausgeblendet. Wenngleich wir es auch zu leugnen versuchen, ist es eine Lebensrealität mit steigender Tendenz.

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Neu anfangen – aber anders

3. Oktober 2008

Lerne siegen und die Weichen neu zu stellen.

»Wo ich bin, ist oben, falls ich mal unten bin, ist unten oben« so das Lebensmotto des Box-Welt- und Europameisters René Weller. Von einem vergleichbar entspannten Umgang mit Niederlagen ist unsere am ökonomischen Erfolg orientierten und auf Leistungsmaximierung ausgerichteten Gesellschaft allerdings noch immer weit entfernt. Dabei gehören Fehler und Irrtümer zur Natur des Menschen: Jedem stellen sich Hindernisse in den Weg. Jeder macht irgendwann die Erfahrung, ein Ziel aufgeben oder Rückschläge verbuchen zu müssen. Auch die gesamte Evolution ist ein durchgängiger Prozess von Versuchen, Irrtümern und permanenter Weiterentwicklung. Selbst strahlende Sieger erleben auf dem Weg zur Spitze mehr Niederlagen als Erfolge. Und überhaupt: Wie viele Erfolge werden vielleicht erst möglich durch vielfaches Hineinlaufen in Irrwege und Sackgassen: Und das beweist: Nicht die Niederlage ist das Problem, sondern der Umgang damit. Wie aber verkraften wir Rückschläge? Wie werden ausgerechnet Fehlschlägen zum Sprungbrett für den Erfolg von morgen? Mit Sicherheit hat es viel mit Innehalten und Reflexion zu tun – und nicht zuletzt mit der Fähigkeit zu einem Kurswechsel.

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