Posts Tagged ‘leistungsgesellschaft’

Robert Enke: die geschlagene Nummer eins

14. November 2009

»You Can Win If You Want« – so lautet nicht nur ein Erfolgssong des einstigen Popduos Modern Talking, sondern auch das Motto unserer modernen Leistungsgesellschaft. Dem Nationalkeeper Robert Enke wurde die daraus resultierende Einstellung jetzt zum Verhängnis. Die Geschichte dieses todtraurigen Nationaltorhüters, der sich im Kampf um den Ball zur Spitze durchschlug und sich eines unbedingten Erfolgswillens zum Trotz dennoch vor seiner Krankheit geschlagen geben musste, hat die Republik wie kaum eine andere gerührt.

Dass der Torheld das Geheimnis seiner tabuisierten Traurigkeit ebenso vehement wie sein Tor hütete und aus Angst vor dem Öffentlichwerden seiner Depressionen und Versagensängste schließlich den Freitod auf den Schienen wählte, wirft nicht nur einen Blick hinter die Fassade einer äußerlich strahlenden Siegerpose, sondern auch auf die Abgründe des Leistungssports und nicht zuletzt einer Leistungsgesellschaft insgesamt, die jede Form von Schwäche verpönt und schon einen zweiten Platz als Niederlage wertet. Umso größer ist der Respekt vor Enkes so tapferer Witwe Teresa, die uns mit ihrer schonungslosen Offenheit einen Einblick in die fußballerische Kraftmeierei und der Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens dahinter erlaubt.

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Quo vadis, Deutschland?

13. September 2009

Sind die fetten Jahre vorbei?

Glaubt man den vollmundigen Wahlkampfparolen, dann hat Deutschland die weltweite Finanzkrise entweder längst überwunden, oder aber das Schlimmste kommt erst noch – und zwar dann, wenn der Bürger die falsche Regierung wählt. Auch ein Blick in die mehr oder weniger seriöse Presse hilft nicht weiter. Die Prognosen wechseln sich beständig ab, und fast könnte man meinen, das hinge von der jeweils aktuellen Stimmungslage der verantwortlichen Redaktion ab. Derartige Flatterhaftigkeit in der Informationspolitik lässt aber vor allem einen Verdacht aufkommen: Die Lage ist noch viel schlimmer als vermutet, und dafür gibt es ganz handfeste Zahlen.

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Ein Votum für Deutschland und die Kunst des Scheiterns

24. August 2009

Während sich die Wahlkampfplatitüden in kernigen bis nichtssagenden Sentenzen darum bemühen, dem Bürger mit möglichst verlockend klingenden Versprechungen die eigene politische Coleur schmackhaft zu machen, gehen die bedeutenden Probleme, denen sich dieses Land gegenübersieht, geflissentlich im Sommerloch unter. Dabei gehört es zum guten (also schlechten) Ton der Maschinerie, den Gegner so gut es geht als Versager darzustellen, und sich selber schon einmal vorab den Lorbeerkranz für zukünftige Heldentaten zuzusprechen. Will man diesem strategischen Gerede Glauben schenken, so muss man davon ausgehen, dass das Scheitern immer ein Privileg der anderen ist. Wer Fehler gemacht hat, ist nicht würdig, dieses Land zu regieren und hat keine zweite Chance verdient. So der Tenor.

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Aus der Krise lernen, statt ihr zu erliegen

9. Mai 2009

Oder: Warum die Krise eine halbgöttliche Instanz ist.

„Immer besser, immer schneller, immer billiger!“ lautet das Erfolgsmantra unserer modernen Leistungsgesellschaft, die neben dem schnellen Gewinn den Konsum und das Shareholder-Value-Prinzip zum allgemein gültigen Lebensentwurf erhoben hat. Im Wettlauf um neue Marktanteile sieht der globale Kapitalismus den Menschen vor allem als Leistungserbringer, dessen Unzulänglichkeit er durch den Einsatz immer effizienterer Technologien und rationellerer Steuerungsmechanismen möglichst gering zu halten versucht.

Vor dem Hintergrund einer weltumspannenden Wirtschafts- und Finanzkrise hat das kapitalistische Mehrwertprinzip und sein Glaube an eine permanente Leistungssteigerung und -erfüllung tiefe Risse bekommen.

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Winnenden: Auch ein strukturelles Problem

23. März 2009

Scheitert die Erfolgsgesellschaft an ihrem Erfolgsprinzip?

Ein Jugendlicher macht an seiner Schule den Abschluss. Und ein Jahr später kehrt er als blut-rünstiger Killer zurück. Schock. Bestürzung. Der Amoklauf im schwäbischen Winnenden macht betroffen – und ratlos. Welche Lehren können wir als Gesellschaft aus einem solchen Schreckenserlebnis ziehen? Welche Fragen wirft diese Bluttat auf?

Wenn die Gründe auch zu vielschichtig sind, als dass es eine schnelle Erklärung geben kann und darf, hat der Amoklauf von Winnenden mit Sicherheit auch einen gesamtgesellschaftlichen Hintergrund: Wir leben heute in einer Gesellschaft, die sich  Wohlstandsvermehrung und Technikfortschritt als Maximalziel auf ihre Fahnen geschrieben hat. Mit ihrer Effizienzlogik sieht die moderne Leistungsgesellschaft den Menschen vor allem als Leistungserbringer. Und mit den sich allgemein verschärfenden Lebensbedingungen sind die Anforderungen an das Individuum enorm gestiegen: mehr Leistung, mehr Effizienz, mehr Druck.

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Überlebensstrategien in der Finanzkrise

16. März 2009

Einmal mehr aufstehen, als liegen zu bleiben.

»Jeder ist seines Glückes Schmied!« lautet die Philosophie unserer modernen Leistungsgesellschaft. Damit ist zwangsläufig verbunden, dass eben auch jeder seines Unglückes Schmied ist, was in den Ohren der heute von Job- und Existenzängsten geplagten Bundesbürger wie blanker Hohn klingen mag. Denn vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise wird der Arbeitsmarkt zusehends unberechenbarer.

Es gibt eben keine immerwährende Garantie, wonach bestimmte Produkte für alle Zeit in Deutschland produziert werden und der Arbeitsplatz infolgedessen sicher ist – eine Einsicht, die uns ebenso viel abverlangt wie die Erfahrung, dass Zäsuren in den Erwerbsbiografien zu einer Lebensrealität von immer mehr Menschen werden. Und weil sich die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der globalen Unwägbarkeiten kaum noch prognostizieren lässt, wird ein vorausschauendes Planen in allen Lebensbereichen zu einem Vabanque-Spiel.

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Gestern Mittelstand – heute Hartz IV

17. Dezember 2008

Das Sozialgefüge der Leistungsgesellschaft zerbricht.

Einer im Frühjahr diesen Jahres vorgestellten Studie zufolge ist der deutsche Mittelstand, seit jeher tragende Säule unserer Gesellschaft, von einer allmählichen Erosion ergriffen, womit sich die Kluft zwischen Arm und Reich hierzulande vergrößert. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschaftskrise noch verstärken wird.

In großen Teilen des Mittelstandes herrscht heute trübe Stimmung. Verzagtheit macht sich breit, weil sich die Unternehmer mit einer Vielzahl unvorhersehbarer Probleme konfrontiert sehen. Beim deutschen Mittelstand ist der Glaube an eine unaufhaltsame Weiter- und Höherentwicklung als Folge von technischem Fortschritt, politischen Reformprozessen und kultureller Modernisierung längst brüchig geworden. Zwar haben wir heute in der Tat zwei Millionen Arbeitslose weniger als noch vor drei Jahren, dafür aber 135 Millionen Erwerbstätige, die von den Löhnen aus ihren Beschäftigungsverhältnissen nicht mehr leben können und auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind.

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Der Dalai Lama und wir

9. Dezember 2008

Ist Scheitern heute in?

Andrea Ypsilanti tut es. Peter Hartz tut es. Und selbst der Dalai Lama tut es: scheitern. Auf einer Pressekonferenz in Tokio erklärte das geistliche und weltliche Oberhaupt der Exil-Tibeter den Kampf um eine größere Autonomie Tibets unlängst für gescheitert. Dafür, dass der 73-jährige Friedensnobelpreisträger den Mut hatte, sein Scheitern öffentlich einzugestehen, verdient er Respekt.

Wenn Scheitern im globalen Zeitalter auch immer mehr zu einem gesellschaftlichen Phänomen wird, ist es dennoch stigmatisiert und der Umgang damit unentspannt. Und das kommt nicht von ungefähr: Auf den Erfolg und dessen Accessoires fixiert, hat unsere Gesellschaft für die Bewältigung von sozialen Abstiegen, beruflichem Versagen und persönlichen Niederlagen kaum die richtigen Deutungs- und Verhaltensweisen.

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Mit kühlem Kopf durch die Rezession

3. Dezember 2008

Deutschland in der Krise und Wüste wegen Hitze geschlossen.

Als Folge der globalen Finanzmarktkrise und weltweiten Konjunkturflaute ist nun auch Deutschland erstmals seit fünf Jahren in eine Rezession gerutscht. Wenig kauflustige Verbraucher hierzulande sorgen dafür, dass sich der Abschwung weiter beschleunigt. Hinzu kommt, dass die Exporte als Motor des Wachstums wegen der Abkühlung der Weltwirtschaft einbrechen und die lahmende Binnennachfrage das bisher nicht ausgleichen konnte. Als Gegenmaßnahme will die Bundesregierung mit einem Konjunkturpaket in den nächsten zwei Jahren Investitionen von insgesamt 50 Milliarden Euro anstoßen. Statt Panik und Aktionismus heißt es jetzt, einen kühlen Kopf zu behalten.

In der australischem Simpson-Wüste, einer der faszinierendsten, gleichzeitig aber auch gefährlichsten Plätze Australiens, ist das mit Sicherheit ein schwieriges Unterfangen, denn mitten im Sommer herrschen dort Temperaturen von bis zu 58 Grad Celsius, weswegen die Wüste vom 1. Dezember bis zum 15. März 2009 für Touristen gesperrt wurde. Um aber vor dem Hintergrund einer globalen Rezession einen kühlen Kopf zu behalten, dafür gibt es durchaus bewährte Strategien.

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Zivilcourage statt Linientreue

25. November 2008

Der aufrechte Gang – nur etwas für weltfremde Idealisten?
Erfolgsgesellschaft am Scheideweg.

Dabei hatte sie den Hessen mit der »Erlösung« von der Koch-Regierung doch eigentlich die politische Wende bringen wollen. Dass der Traum der Andrea Ypsilanti vom hessischen Neubeginn zu guter Letzt in einem politischen Desaster endete, hat vor allem mit ihrem Wortbruch zu tun, im Falle eines Wahlsiegs keine Zusammenarbeit mit den Linken anzustreben. Das Debakel der hessischen SPD-Parteivorsitzenden begann aber bereits an Wahlabend mit ihrer irrigen Vorstellung, sie habe die Wahl gewonnen, obgleich sie diese knapp verloren hatte. Inzwischen sind ihre Versuche, sich entgegen des Wahlversprechens mithilfe der Linken an die Macht zu bugsieren, allesamt gescheitert.

Zuerst lief die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger von der Line. Kurz vor dem zweiten Sturm auf die Macht wurden drei weitere SPD-Abgeordnete abtrünnig und warfen ihrer Chefin den Fehdehandschuh hin. Dafür, dass Jürgen Walter, Silke Tesch und Carmen Everts ihr Nein erst einen Tag vor der Wahl ankündigten, sollen sie nun aus der SPD ausgeschlossen werden. Über den Zeitpunkt dieses Nein lässt sich in der Tat streiten. Dabei haben die Abweichler ihrem eigenen Bekunden zufolge nur »ein Grundrecht von Abgeordneten in Anspruch genommen«. Fakt ist, dass das Risiko des Aufbegehrens zur Demokratie gehört.

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